Rede des Vorsitzenden der CDU-Bürgerschaftsfraktion Hamburg
anlässlich der Regierungserklärung des Ersten Bürgermeisters
am 22.04.2020 in der Hamburgischen Bürgerschaft

Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

wir befinden uns gemeinsam auf einem anstrengenden Langstreckenflug, bei dem zwar das Ziel bekannt, aber der Zielflughafen leider noch lange nicht in Sicht ist. Seit rund 6 Wochen sind wir jetzt bereits unterwegs, um die Coronakrise und die daraus folgenden Auswirkungen gemeinsam abzufedern. Aber eines ist klar: Solange es keinen Impfstoff gibt, wird diese Reise weitergehen.

Bereits vor drei Wochen habe ich an dieser Stelle deutlich gemacht, dass die Lage ernst ist. Dass wir Geduld brauchen. Dass wir eiserne Disziplin brauchen. Dass wir lernen müssen, mit dem Virus zu leben. Und dass wir alle gemeinsam und entschlossenen handeln müssen, um diese Krise zu überwinden. Das alles ist auch heute noch aktuell.

Und ich möchte ihnen, den Hamburgerinnen und Hamburgern auch ganz persönlich danken: Die große Mehrheit von Ihnen hat sich strikt an die Beschränkungen gehalten, trotz des tollen Frühlingswetters und Osterwochenendes. Vielen Dank für ihre Unterstützung. Damit retten sie Leben!

Und mein Dank gilt ausdrücklich auch unserer Bundeskanzlerin. Sie hat es wieder einmal geschafft, ein einheitliches Grundgerüst bei den ersten vorsichtigen Lockerungen für ganz Deutschland durchzusetzen. Das ist in unserem föderalen System keine Selbstverständlichkeit, es ist aber notwendig und auch eine Frage der Gleichbehandlung und Gerechtigkeit in unserem Land.

Wir können froh sein, die erprobte Krisen-Kanzlerin Angela Merkel im Amt zu haben. Darum beneiden uns gerade viele in der Welt – und das vollkommen zurecht. Gerade wenn man sich das Handeln einiger anderer Regierungschefs anguckt. Vielen Dank an Berlin.

Aber natürlich gilt das für die gesamte Bundesregierung und für die Landesregierungen, die alle gemeinsam dazu beitragen, unser Land gut durch diese schwere Krise zu führen.

Wir alle gemeinsam haben uns in den letzten Wochen eine Situation erarbeitet, die eine Überlastung unseres Gesundheitssystems verhindert hat. Darauf können wir alle gemeinsam stolz sein. Bilder wie in Italien und Spanien sind uns bisher erspart geblieben. Darüber können wir dankbar sein.

Aber der Spielraum ist eben sehr gering. Wir sind leider noch lange nicht an dem Punkt, dass das gesellschaftliche Leben wieder völlig normal laufen könnte. Die Wahrheit ist, um es nochmal zu betonen: Das wird es erst mit einem Impfstoff für alle. Bis dahin ist es ein vorsichtiges und schrittweises Hineintasten in mehr Freiheiten.

Das verlangt allen viel ab. Und es ist jetzt nicht die Zeit für Leichtsinn, sondern für Vorsicht und Bedacht. Auf diesem Weg sehe ich Deutschland und Hamburg und diesen Weg müssen wir weiterhin gemeinsam durchhalten.

Daher ist es aus meiner Sicht auch richtig, dass Bundesregierung und Ministerpräsidenten letzte Woche gemeinsam entschieden haben, der Gesundheit aller Bürgerinnen und Bürger weiterhin Vorrang zu geben und den gut gemeinten Ratschlägen mancher Experten nicht einfach gefolgt sind. Wohin zu viel Öffnung oder gar eine vollständige Öffnung am Ende führen kann, dafür gibt es bereits genügend negative Beispiele.

Meine Damen und Herren,
wir alle tragen Verantwortung, die einen in der Regierung, die anderen in der Opposition. Und dieser Verantwortung müssen wir gemeinsam auch gerecht werden. Natürlich kann man seine Vorstellungen über die richtige Ausweitung der Lockerungsmaßnahmen öffentlich kundtun. Aber man sollte dabei aufpassen, keine unhaltbaren Forderungen zu stellen, denn die hohe Akzeptanz der Bevölkerung sollten wir durch unnötige Spekulationen nicht aufs Spiel setzen.

Bei jeder Lockerung, jedem Gewinn von Freiheit dürfen Gesundheitssystem, Pflegepersonal und Ärzte nicht überlastet werden. Denn ansonsten müssten gewährte Lockerungen am Ende hastig wieder zurückgenommen werden. Damit würde auch das Grundvertrauen in die Krisenbewältigung leiden. Das kann und darf nicht das Ergebnis sein.

Und da fand ich dann in der letzten Woche das Agieren des kleineren Teils des Senats irritierend. Bisher hat man die Grünen im Senat bei der Bewältigung der Krise kaum öffentlich wahrnehmen können. Das mag – abhängig von den Fachressorts – auch nachvollziehbar sein. Und auch die Koalitionsverhandlungen haben lange auf sich warten lassen. Aber dann haben Sie sich wohl gedacht, irgendwie brauchen wir eben doch mal wieder Aufmerksamkeit. Geben wir doch mal ein Ausstiegspapier raus und vermarkten das öffentlich.

Während Herr Tschentscher deutschlandweit abgestimmte Maßnahmen anmahnt, stimmt sich die Zweite Bürgermeisterin nicht einmal mit dem Ersten Bürgermeister ab. Das hat viele schon sehr irritiert – das geht einfach gar nicht! Wie man es besser macht, zeigt die GroKo in Berlin.

Und dann folgte darauf auch noch der katastrophale Zwischenfall im UKE, mit rund 40 infizierten Patienten und Pflegern, der möglicherweise bereits mehr als einen Monat zurückliegt. Uns muss es jetzt bitte darum gehen, wie sich ein solcher Vorfall unter keinen Umständen wiederholt. Öffentliches Distanzieren reicht da nicht aus. Die verantwortliche Senatorin muss das jetzt aufklären. Ich will mir gar nicht vorstellen, was hier los wäre, wenn das in einem privaten Krankenhaus passiert wäre. Darum sollten Sie sich kümmern, nicht um irgendwelche grünen Exit-Pläne!

Und lassen Sie mich das hinzufügen, damit es ganz deutlich wird. Ich habe es auch letzte Woche klargemacht: Ich finde es beeindruckend, wie Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger sich im ganzen Land um die Gesundheit ihrer Patienten kümmern – ihnen gilt unser aller Dank und ich wünsche selbstverständlich allen Erkrankten am UKE schnelle Genesung, werden Sie schnell wieder gesund!

Meine Damen und Herren,
wir als Parlament, als Abgeordnete und die Regierungen müssen immer auch die Kehrseite der massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens im Blick haben. Wir können nicht nur danach gehen, was aus Sicht der Virologen das ideale Kontaktverbot wäre, sondern müssen auch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen in unserer Stadt im Blick haben.

Umso länger diese Krise anhält, desto mehr Existenzen sind bedroht, desto mehr Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel, desto schwerer fällt der ausfallende Unterricht für die Schüler und die fehlende Betreuung in den Kitas ins Gewicht. Und deshalb sind wir ebenso gezwungen, das öffentliche Leben schrittweise wieder hochzufahren.

Deshalb ist es gerade in einer Millionenmetropole wie Hamburg richtig und wichtig eine Maskenpflicht einzuführen, dort wo es zu Begegnungen kommt wie in Geschäften, auf Wochenmärkten oder in Bussen und Bahnen. Es ist gut, dass auch Sie das erkannt haben, Herr Tschentscher. Etwas spät, aber jetzt sind sie auch in der Pflicht dafür Sorge zu trage, dass alle Hamburgerinnen und Hamburger auch eine Maske bekommen.

Eine allgemeine Maskenpflicht hat vor allem auch eine psychologische Wirkung, denn sie erinnert uns alle daran, dass diese Krise noch lange nicht vorbei ist und ermahnt uns auch weiterhin zur notwendigen Disziplin. Jena zeigt, dass es funktionieren kann.

Aber auch alle anderen Geschäfte über 800 qm und Unternehmen brauchen jetzt klare Signale und Perspektiven. Unternehmen und Selbstständige in Hamburg müssen stärker unterstützt werden, denn deren Lage bleibt bedrohlich. Arbeitsplätze müssen gesichert werden, wo immer möglich und so viele wie möglich. Das ist jetzt neben der Gesundheit der Hamburgerinnen und Hamburger das Entscheidende.

Gleiches gilt für die Schulen: Auch für Hamburgs Schüler kann es nur den beschlossenen schrittweisen Neustart geben, mit Priorität auf die Abschlussprüfungen.

Dafür und für alle weiteren Schritte müssen dann aber auch an jeder Schule erst einmal die Hygienevoraussetzungen da sein: Desinfektionsmittel, regelmäßige Reinigung, Abstandsregelungen, um nur einige Punkte zu nennen. Hier ist die Schulbehörde jetzt gefordert. Unsere Kinder müssen bestmöglich geschützt werden!

Das darf jetzt aber nicht nur für die ersten Tage der Fall sein. Die Hygienestandards an Hamburgs Schulen müssen dauerhaft verbessert werden.

Und lassen Sie mich noch an alle Schülerinnen und Schülern wenden, die gerade Abitur schreiben: Ich wünsche Euch auch unter diesen ungewöhnlichen Umständen alles Gute und viel Erfolg!

Und als Familienvater hätte ich mir schon gewünscht, dass auch die Situation der Familien noch etwas mehr Beachtung gefunden hätte. Natürlich können nicht alle Kindergärten wieder aufgemacht werden, aber die Notbetreuung, hätte früher auf weitere Gruppen ausgeweitet werden müssen. Noch immer sind die Regeln zu streng gefasst, gerade dort, wo es nachweisbar große Schwierigkeiten gibt, die Betreuung der Kinder und den Vollzeitjob unter einen Hut zu bringen. In solchen Fällen sollte über eine schrittweise Ausweitung der Notbetreuung zumindest nachgedacht werden.

nd natürlich können insbesondere kleinere Kinder nicht ohne Hilfe die notwendigen Hygiene- und Abstandregeln einhalten. Aber mit Unterstützung und Verantwortung der eigenen Eltern ist das möglich. Und Kinder brauchen die Möglichkeit zum Spielen und Toben, das ist in den eigenen vier Wänden häufig nicht gut möglich.

Und daher plädiere ich dafür, lieber Herr Bürgermeister, dass Sie sich bei Ihrem nächsten Treffen mit der Bundeskanzlerin und Ihren Amtskollegen dafür einsetzen, dass zumindest erste geeignete Spielplätze unter Einhaltung der Abstands- und Hygienevorschriften wieder geöffnet werden.

Und wo wir jetzt schon dabei sind, Herr Bürgermeister: Wenn der Senat seinen strikten Kurs aufgibt, die SPD-Landesvorsitzende den Bürgermeister in Agenturmeldungen zu etwas auffordert, die Grünen unabgestimmte Punkte öffentlich vortragen statt im Senat – dann verändern Sie damit natürlich den politischen Arbeitsmodus in dieser Krise.

Und ich bin weiterhin fest davon überzeugt, dass der bisherige enge Austausch zwischen Senat und Opposition dazu beigetragen hat, dass wir bisher so gut durch die Krise gekommen sind.

Klar hätten wir es uns einfacher machen können und täglich den Senat kritisieren können. Das hätte uns auch deutlich mehr mediale Aufmerksamkeit gebracht.

Wir haben uns aber dafür entschieden, gemeinsam mit dem Senat gegen dieses Virus zu kämpfen und die Hamburgerinnen und Hamburger bestmöglich zu schützen.

Für uns war vom ersten Tag an klar, dass Hanseaten gerade in Krisenzeiten eng zusammenhalten.

Da Regierungsfraktionen und Senat jetzt offensichtlich die Spielregeln verändert haben, ist es völlig klar, dass wir dann auch als CDU in die öffentliche Auseinandersetzung, in das Ringen um die besten Wege aus der Krise einsteigen.

Selbstverständlich haben wir da unzählige Ideen und Vorschläge in allen Bereichen:

  • flächendeckendes Antikörper-Screening
  • Hamburg-Fond für Start-Ups
  • Reduzierte Mehrwertsteuer für Gastronomie
  • Busse und Bahnen täglich desinfizieren
  • Stadträder vollständig kostenlos nutzen
  • Und, und, und…

Wenn Sie darüber lieber die öffentliche Debatte führen wollen, dann machen wir das, die CDU-Fraktion ist bereit.
Und, meine Damen und Herren, dann geht es neben der ganzen Aufarbeitung – was ist schief gelaufen, was muss besser werden? – auch um die Frage: Was bleibt?

Alle von uns haben die großen Möglichkeiten der Digitalisierung und des Homeoffice in der Krise zwangsweise erfahren, soweit wir damit nicht ohnehin schon längst gearbeitet haben. Auch dazu wird es von uns Konzepte geben, wie wir die sinnvollen Instrumente in die Nach-Krisenzeit mitnehmen.

Meine Damen und Herren,
ich weiß nicht, wie es ihnen geht. Aber wahrscheinlich nicht viel anders als mir: Ich kann es kaum erwarten, mit meiner Frau und Tochter wieder zu Hagenbeck zu gehen. Mit unserem Hund und meiner Familie wieder regelmäßig nach draußen zu gehen, mich mit anderen Familien zu treffen.
Ganz selbstverständlich über die Landesgrenzen gehen und sogar mal wieder an Nord- und Ostsee fahren, ohne von dort vertrieben zu werden, nur weil man das falsche Kennzeichen hat.

Und diese Zeit wird auch wieder kommen, das Leben wird sich wieder normalisieren und wir werden zurückgewinnen, worauf wir gerade verzichten müssen. Ich bin optimistisch, dass wir gemeinsam durch diese Krise kommen und genauso gestärkt daraus hervorgehen, wie wir das auch schon aus der Wirtschafts- und Finanzkrise sind.

Meine Damen und Herren,

zu Beginn sprach ich von einem Langstreckenflug. Lassen Sie uns geduldig und diszipliniert bleiben, damit wir am Ende dieses langen Fluges gesund wieder in der Normalität des Lebens landen können.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Erwiderung Regierungserklaerung 220420